❯ Concert | Paul Millns | 18.8.2005 |
❯ Gallery | Paintings | 3.7.2005 |
❯ Opening | Prof. Dr. Martin Steinhäuser and MWJ | 2.7.2005 |
Sehenswerte Portraits von Manfred W. Jürgens in der Gohliser Friedenskirche
Der harte Hund ist plötzlich Mutter-Söhnchen. Till Lindemann, bulliger Sänger der Bombast-Band Rammstein, die sich unter anderem durch Video-Clips in Riefenstahl-Ästhetik Gegner machte, sitzt brav neben seiner Mutter Gitta. Und schaut auf die Bankreihen in der Gohliser Friedenskirche. Hier sind Lindemann und Co. bis Ende August den Blicken Neugieriger ausgesetzt. Wobei von Bild zu Bild sich die Unklarheit verfestigt, wer hier eigentlich wen mit den Augen seziert.
Prominente und Unbekannte hat Manfred W. Jürgens in fotografisch anmutender Mischtechnik auf Holz porträtiert. An den Wänden zwischen Altar und Lindemann hängen Ulrich Tukur und Albrecht Tübke, aber auch Studentin Wenke und das Gesicht einer Reisbäuerin aus Sri Lanka. Ein Gesicht, dem man sich schwer entziehen kann. überall Spuren, die das Leben gezogen hat. Die wässrigen Augen sprechen eine leise Anklage wie auch von Unbeugsamkeit. Die Seele spricht, und 'Seele macht verwandt', so der Titel der Ausstellung. Das einzige blicklose Kunstwerk ist das Selbstbildnis, Jürgens' scheinbar grübelnde Hände zwischen Brust und Kinn, das in Pose und künstlicher Verwitterung an die Alten Meister erinnert - hübsch selbstironisch.
Der Mecklenburger, Jahrgang 1956, der vor seiner Arbeit als freischaffender Maler, Fotograf und Grafiker unter anderem Vollmatrose bei der Deutschen Seereederei in Rostock und Feldbauhelfer in der LPG Bobitz war, nutzt ebenso geschickt das Mittel der Provokation: Sein 1997er Porträt-Zyklus 'Huren' entblösst nicht die Abgebildeten, sondern eher das Tabu-Denken mancher Betrachter. Nutten im sakralen Raum - Skandal im Bet-Bezirk! Jedenfalls für den, der diesen Teil der Wirklichkeit lieber ausblendet.
Die eine steht selbstbewusst da, die andere lasziv, die nüchste trotzig, die Nachbarin blickt verhalten. Trotz Inszenierung durch Pose hat Jürgens es geschafft, entwaffnende Natürlichkeit zu transportieren. Vielleicht ist es gerade diese, die den Besucher eigene Befangenheit entdecken lässt.
Paul Millns, gleich nebenan, lächelt dazu entspannt. Er kennt die Spielarten seines Porträtierers. Der britische Musiker, mit seinen Songs Stammgast im Gotteshaus, war es, der den Friedenskirche Leipzig-Gohlis e.V. auf den befreundeten Künstler aufmerksam machte. Das war gut so. Zumal die Tafelbilder erst- und letztmalig so geballt öffentlich präsentiert werden: Im Herbst geht ein grosser Teil nach Venedig, in die Gallery Holly Snapp.
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