2012 · Wismar · Eröffnung

Manfred W. Jürgens Malerei, Wismar Ausstellungen Kunst Manfred W. Jürgens Malerei, Wismar Ausstellungen Kunst

Tafelbilder von Manfred W. Jürgens

Wismar · Baumhaus · 2012

28. April - 20. Mai 2012 · 4256 Besucher


Baumhaus-Austellung

2012

Baumhaus-Austellung

2012




Eröffnung

Manfred W. Jürgens · 27.04.2012


Manfred W. Jürgens Malerei, Wismar Ausstellungen Kunst

Guten Abend werte Gäste!

In diesem Haus präsentierte ich 2001 meine erste Ausstellung. Der Anstoß dazu zu kam damals von Michael Kiene vom Kulturamt dieser Stadt. Die Einladung zur heutigen dritten Baumhaus-Präsentation verdanke ich Thomas Beyer.

Wismar. In dieser Stadt kenn ich mich aus. In dieser Stadt war ich einst zu haus. Zehn Jahre lebte ich hier. Dann wehte es mich vor fünf Jahren nach Hamburg.

Die Jahre verfliegen und ich bin immer noch Maler. Was ist das schon! Vielleicht ist der Ursprung für alles Musische ganz einfach nur die Fähigkeit zum Staunen. Der verschwenderisch sorgfältige Umgang mit dem Detail ist für mich nicht nur ein nicht versiegen wollender Genuss, sondern und vor allem Meditation und grenzenlose Freiheit. Ich nehme mir die Freiheit heraus, Details zu benennen und schaffe Freiräume für unterschiedliche Interpretationen.

Das Gestaltlose langweilt mich zutiefst. Meine Ideen schöpfe ich aus der Zufälligkeit von Erlebnissen im Alltag und aus Träumen. Theater, Musik, Literatur und Fotografie begleiten mich. Daraus etwas Eigenes zu schaffen ist Lebensfreude. Zeit ist dabei ein großartiges Material. Die Malerei gibt mir die Möglichkeit, die Welt etwas besser zu verstehen.

Sie erscheint mir als eine nicht enden wollende leise Recherche über unser menschliches Sein und ist für mich somit Detektivarbeit. Mich interessieren Themen wie Erblühen und Vergehen, die ich nicht erfassen kann.

In einer Welt der chronisch gewordenen Überinszenierung bin ich auf der Suche nach dem Konkreten, nach Ruhe und Präzision in schonungsloser Klarheit. Realistische Malerei ist aus meiner Sicht natürlich kein naturalistisches Abbild der Wirklichkeit. Es ist kein Abmalen. Und es ist nicht einfach Dokumentation, sondern Reflexion und sehr individuelle Interpretation.

Die höchste Form von Genuss ist die ohne Wertung.

Moden und Trends interessieren mich nicht. Diese vergehen zu schnell im Wind der austauschbaren Flüchtigkeiten. Ich folge nicht den Erfordernissen des Kunstmarktes, sondern nur meiner inneren Stimme. In jeder Malerei gibt es trotz aller Planung Dinge, die sich jenseits des Bewusstseins verselbstständigen und Einfluss auf Inhalt und Form nehmen. Es ist eine große Freude, wenn ein Bild den Maler lenkt. Die Auseinandersetzung mit jeder neuen Tafel verändert mich. Meine Bilder überraschen mich immer wieder. Sie machen mich ratlos und sagen mir: Du bist und bleibst ein Lehrling. Mich treibt der ewige Selbstzweifel. Permanent stoße ich auf meine Unfähigkeit. Trotzdem oder vielleicht deshalb kommt es stetig zu neuen Bildtafeln.

Malerei ist harte Sklavenarbeit und zugleich freizügig selbstbestimmtes Theater auf eigener Bühne. Das Leben ist schön. Ja, auch als Maler. Der Erfolg ist nicht das Vergnügen, sondern die tägliche Herausforderung im Atelier ist es. Die permanente Unzufriedenheit mit den eigenen Bildern lässt mich hoffen, dass mir eines Tages ein Bild gelingt.






Wer sind die Damen?

Manfred W. Jürgens · 27.04.2012


Manfred W. Jürgens Malerei, Wismar Ausstellungen Kunst Manfred W. Jürgens Malerei, Wismar Ausstellungen Kunst

Zum Tafelbild 'Uta'

Dieses Bildnis hat seinen Ursprung im Hamburger St. Pauli Theater. Ich sitze im Publikum, warte auf den Beginn des Programms. Meine Blicke schweifen, scannen prominente Gesichter. Doch dann - Wer ist das? Ich stoße leise meine Frau an. Guck mal, dort die Braut mit den Totenkopf-Tattoos und den ewig langen glatten Haaren. Die spontane Antwort: Dann frag sie doch!

Nach dem Programm überreiche ich ihr aufgeregt meine Maler-Visitenkarte. 'Es wäre schön, wenn ich Sie portraitieren könnte', stammle ich vor mich hin und verschwinde schweißgebadet in die trunkene Nacht. Zwei Wochen Ruhe. Die Jugend interessiert sich nicht für meine Bilder. War doch klar. Dann der unerwarteter Anruf: 'Ich komm morgen so nachmittags mal Kekse anbeißen und Bilder gucken'.

Eine Woche später saß Uta Modell, brachte 300 mp3-Files ihrer Death-Metal-Musik mit. Dagegen sind Rammsteine Schlager-Jungs. Während der gesamten Zeit beim Malen des Bildes hörte ich ihre abgrundtiefe Musik. Ich wollte echt wissen wie sie tickt.

Was Uta beruflich macht? Sie ist Chefsekretären in einem großen Pharmakonzern in Hamburg. Heute sind wir befreundet und ich freue mich, dass Du, Uta, heute hier bist. Malerei ist und bleibt ein guter Anlass, um interessante und sehr unterschiedliche Menschen kennen zu lernen, um für eine kurze intensive Zeit den Versuch zu unternehmen, Leben und Wesenheit sorgfältig zu erkunden.

Wer ist die halbierte Dame auf der Einladung?

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Ruth Rupp sah ich 2004 erstmals auf der Bühne des St. Pauli Theaters in der Dreigroschenoper mit Ulrich Tukur als Mackie Messer. Sie sang, nach einer Idee von Katharina John, in der Rolle einer Alt-Hure die Schlussszene und erntete somit allein auf der Bühne stehend den gefährlichen Schlussapplaus des Stückes. Die Hälfte des Publikums heulte vor Rührung. Ich auch. Und ich schwor mir, wenn mir diese kleine Dame eines Tages über den Weg läuft, so werde ich sie ansprechen.

Sechs Jahre später, im Hamburger St. Pauli Theater, hörte ich im Gehen eine lachende erwachsene Frauenstimme rufen: Verdammt, nun kippt mir wieder einer dieser Typen Rotwein in mein Dekolleté nur weil ich so klein bin. Mein Glas stoppte nur wenige Millimeter schräg vor ihr. Ich sah auf eine 154 cm große Frau. Wir saßen noch lange plaudernd im leeren Theater. Andere feierten an der Bar die Eröffnung der neuen Spielsaison, wir verabredeten uns. Ruths Worte: Wenn Du schon sechs Jahre hinter mir her bist, dann müssen wir das jetzt aber auch mal machen, das mit diesem Portrait.

Nach einer Woche saß sie erstmals bei mir im Blankeneser Atelier. Ruth ist nun 85 Jahre alt. Nachdem sie acht Jahre lang ihre kranke Mutter gepflegt hatte, entdeckte sie mit neunundsiebzig Jahren das Schauspiel. Zunächst die Bühne und gelegentlich auch Film.

Vor dem Krieg studierte sie Musik und Gesang. Im zweiten Weltkrieg stand sie als Mädchen in Hamburg an der Flak. Unvorstellbar. Später war sie Kindermädchen für Landkarten-Falk in Blankenese. Dessen Tochter fand sie, nach 43 Jahren, durch mein gemaltes Portrait über Google wieder. Das ist doch Ruth, mein Kindermädchen von einst. Ein Telefonat: Kann es sein? Ja! Nun besuchen sie sich von Zeit zu Zeit und sind zum zweiten Mal befreundet.

Somit ist Malerei wohl doch nicht ganz so sinnlos.

Aufmerksame Stille. Ruth singt eine Szene aus der der Dreigroschenoper.

Stunden später.

Ruth auf dem Heimweg durch die nächtliche Stadt: Boah, dieses Wismar, sensationell, das Kopfsteinplaster. Das ist hier wie im 30-jährigen Krieg. Wenn ich zwischen diese alten Steine falle, könnt Ihr mich lange suchen.

Manfred W. Jürgens Malerei, Wismar Ausstellungen Kunst
Ruth Rupp kurz vor der Ausstellungseröffnung





Enthüllung einer neuen Bildtafel

Manfred W. Jürgens · 27.04.2012


Manfred W. Jürgens Malerei, Wismar Ausstellungen Kunst

Nun zum zu enthüllenden Bild

Es spielt in einem alten Theater. Vielleicht in Venedig. Gong. Unsere Blicke richten sich erwartungsvoll zur Bühne.

Auf dem Piano liegt ein Revolver mit den Fingerabdrücken eines Herrn Tukur. Blut quillt unter dem Vorhang hervor. Dort, wo sonst die Chanson-Sängerin das Publikum erotisierend auf dem Piano liegt, ruht sich träumend ein als Löwe verkleideter Hund aus. Er wartet wie wir auf die Katzen der Nacht. In der nebeligen Ferne eine letzte Laterne am Fondamente. Im Hintergrund träumt ein Schiff der Steuerbehörde von unserem Geld. Aber zwischen Ihnen und uns liegt seit 1000 Jahren ein tiefer Kanal.

Skurrile finstere Typen bereichern musikalisch die trunkene Nacht. In die venezianische Stille mischt sich ein Liebeslied. Eine Geige spielende Marionette schwebt sanft von Himmel und tritt vor den roten Vorhang. Welch ein Rot dieses Rot. Der Alptraum jedes Kommunisten. Es offenbart sich ein Abbild unseres absurden menschlichen Daseins. Als mein Freund Urs Willmann diese Tafel erstmals sah, sagte er, die Hände vor seinem Gesicht zusammen schlagend: Das sind sie, die Gladiatoren der Neuzeit!

Mein Modell Uta sagte beim Anblick des Bildes: 'Es gibt aber auch krasse Bands, wa?' Vorhang auf für eine unterhaltsame Zeit mit interessanten Gesprächen und gutem Wein.

Guten Abend!

Manfred W. Jürgens Malerei, Wismar Ausstellungen Kunst Manfred W. Jürgens Malerei, Wismar Ausstellungen Kunst

Baumhaus-Austellung

2012

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